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Welches Team wirft am effizientesten? Expected Goals für die HBL

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  • Beitrag veröffentlicht:28. August 2020
  • Lesedauer:8 min Lesezeit

Neben dem Wurfort gibt es noch viel mehr Faktoren, die den Erfolg eines Wurfs beeinflussen. Beispiele dafür sind die Position der Verteidiger, der Torhüter, die Wurfhand, die Zeit auf der Uhr etc. Um die Qualität eines Wurfs zu bewerten, könnte man also all diese Faktoren zusammenführen.

Diese Überlegungen hat vor etwa dreieinhalb Jahren Sergio Palazzi, Trainer des italienischen Erstligisten Polisportiva Cingoli und Video-Anayst der italienischen Nationalmannschaft, in seinem Blog veröffentlicht. Grundlagen seiner Idee sind die Konzepte der Expected Goals (xG) im Fußball und der Expected Possession Value (EPV) im Basketball.

Dabei wird vereinfacht gesagt die erwartete Anzahl der Tore/Punkte aller Schüsse/Würfe genommen und in Relation zur tatsächlichen Anzahl der Tore/Punkte gesetzt. Hierzu wird die Trefferwahrscheinlichkeit von jedem Schuss/Wurf addiert. Berechnet wurde diese anhand von tausenden Daten von Schüssen/Würfen aus der Vergangenheit.

SPAM – Handball

Dieses Prinzip hat Palazzi an den Handball angepasst und „Shot Position Average Modell – Handball“ (SPAM – Handball) genannt. Wie der Name es schon sagt, ist der einzige berücksichtigte Faktor der Wurfort. Dazu hat er sich von Hand eine eigene Wurfdatenbank aufgebaut. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Artikels waren das 30.000 Würfe aus der Champions League, Weltmeisterschaft, Europameisterschaft und weiteren Turnieren. Mittlerweile sind es einige mehr. Seine aktualisierten Ergebnisse sehen wie folgt aus:

Das bedeutet also, dass beispielsweise ein Wurf von Rechtsaußen zu 66 % erfolgreich ist. Er ist also 0,66 Tore „wert“. Werden während eines Spiels acht Würfe von dort genommen, dann erwartet das Modell 5,04 Tore. Wenn dann tatsächlich aber nur drei Tore gefallen sind, ist dies ein schlechter Wert. Sechs hingegen wäre gut.

Seine Daten zeigten auch, dass es bei den Trefferquoten aus den jeweiligen Positionen keine relevanten Unterschiede zwischen Wettbewerben und Saisons gab.

Expected Goals in der HBL

SPAM – Handball lässt sich natürlich auch auf die Handball-Bundesliga anwenden. Grundlage der Wurfquoten sind alle Würfe der letzten drei Spielzeiten. Dies sind über 75.000 Würfe. Die Bundesliga erfasst ihre Würfe allerdings etwas anders als das bei Palazzis Daten der Fall ist. Würfe innerhalb des Neun-Meter-Raums mit Verteidigern zwischen Ball und Torwart werden extra erfasst. Bei Palazzi zählen diese entweder zu den Neun-Meter-Würfen oder den Durchbrüchen, eine klare Trennung gibt es nicht. Für die HBL ergeben sich die folgenden Werte:

Die Berechnung ist dann ganz einfach. Für die Szene im folgenden Video wären es für den ersten Wurf, einen Gegenstoß abgeschlossen von der rechten Seite aus sechs Metern 0,82 Tore. Wurf Nummer zwei wären 0,83 Tore, da es sich um einen Wurf von der Kreismitte handelt. Der dritte Wurf ist zwar abgepfiffen, wäre jedoch als Wurf von Linksaußen bei 0,62.

Die besten Angriffe haben auch die höchste Wurfeffizienz

Um die Wurfeffizienz zu bestimmen, kann dann einfach die Anzahl der tatsächlichen Tore durch die Summe der Expected Goals geteilt werden. Das Ranking der HBL-Teams danach ähnelt natürlich dem Ranking nach der Wurfquote. Doch es gibt Abweichungen. Beispielsweise haben der Bergische HC und der TVB Stuttgart beinahe dieselbe Wurfquote (58,5 % bzw. 58,4 %). Die Wurfeffizienz ist jedoch bei den Schwaben deutlich höher. Sie erzielten mit 680 Toren etwa so viele wie auch nach dem Modell erwartet werden. Der BHC warf nur 709 Tore, während der xG-Wert bei 735,0 liegt. Und das, obwohl die Stuttgarter am meisten Würfe mit eigentlich unterdurchschnittlicher Erfolgsquote nehmen. Diese Würfe treffen sie jedoch überdurchschnittlich. Trotzdem wäre ihre Offensive wohl noch besser gewesen, wenn sie es geschafft hätten mehr Würfe mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit herauszuspielen.

Die beiden besten Quoten hatten in der vergangenen Saison mit Kiel und Berlin auch die beiden Teams mit dem höchsten Offensive Rating. Sie haben einfach am meisten Qualität in der Offensive. Aber auch die nächstplatzierten HSG Wetzlar (viertbestes ORTG) und TSV Hannover-Burgdorf (fünftbestes ORTG) hatten insgesamt wirklich gute Offensiven in der vergangenen Saison. Dies haben sie zumindest auch zum Teil ihrer guten Wurfeffizienz zu verdanken. Die SG Flensburg-Handbewitt ist bei der Wurfeffizenz etwas weiter hinten, gleichen dies aber wieder mit einem hohen Anteil an hochprozentigen Wurfarten aus.

Ein gutes Beispiel ist auch wieder einmal der SC Magdeburg. Das Team von Bennet Wiegert hat lediglich die achtbeste Offensive. Obwohl sie es schaffen wirklich gute Abschlüsse herauszuspielen (am zweitwenigsten unterdurchschnittlich effiziente Würfe). Die Effizienz der Würfe ist jedoch nur auf Platz 15. Die Wurfquoten aus den verschiedenen Positionen sind also insgesamt deutlich unterdurchschnittlich. Bei der Sieben-Meter-Quote liegen sie beispielsweise 8,5 Prozentpunkte unter dem Ligaschnitt.

Viele Verbesserungsmöglichkeiten

Der Vorteil gegenüber der reinen Wurfquote ist also, dass die Expected-Goals-Quote auch die Schwierigkeit des Wurfs berücksichtigt. Bei der normalen Wurfquote sind Würfe gleich berücksichtigt. Besonders wenn man das ganze dann auf Spielerebene betrachtet, ist es so auch möglich Spieler von verschiedenen Positionen miteinander zu vergleichen.

Ziel eines jeden Teams sollte aber trotzdem sein möglichst wenige Würfe aus den Bereichen mit den niedriger Erfolgswahrscheinlichkeit zu nehmen. Denn das Ziel der Offensive ist es natürlich so viele Tore wie möglich zu werfen und nicht möglichst effizient bei schwierigen Würfen zu sein. Selbst deutlich überdurchschnittliche Wurfquoten aus diesen Bereichen sind immer noch schlechter als deutlich unterdurchschnittliche Wurfquoten aus Bereichen mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit. Am SC Magdeburg war dies wunderbar zu erkennen.

Insgesamt ist dieses Modell in der aktuellen Form selbstverständlich limitiert. Es ist natürlich nicht jeder Wurf gleich, nur weil er von einer ähnlichen Position geworfen wird. Weitere Faktoren könnten das Modell deutlich verbessern. Mit den Tracking-Daten, die die HBL erfasst, sind hier deutliche Fortschritte möglich und das Modell könnte dann sehr gut zur Evaluation der Wurfeffizienz genutzt werden.

Die Aussagekraft und Bedeutung der Expected Goals im Handball ist im Vergleich zum Fußball jedoch deutlich geringer. Bei letzterem ist es die beste Möglichkeit darzustellen, wie gefährlich die Chancen eines Teams waren. Dies ist eine sehr große Verbesserung im Vergleich zur ansonsten gerne herangezogenen Statistik der Torschüsse. Handball ist jedoch ein völlig anderes Spiel als Fußball. Jedes Team hat gleich viel Angriffe. Um die Effizenz eines Teams zu bewerten ist deshalb beispielsweise das Offensive Rating viel aussagekräftiger.

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Julian Rux

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?? Julian ist für den Großteil des Inhalts dieser Website verantwortlich. Der Master of Science der Betriebswirtschaftslehre arbeitet - neben seinem Hauptjob als Controller - im Nebenjob für die Handball-Bundesliga (u.a. als Kolumnist) und hat auch für Bundesligisten Daten analysiert.

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